Die testbare Genetik hinter den Brachys


Die spezielle Körperform der brachyzephalen Hunde kann durch Genetik erfasst und auch wieder verändert werden.
In den letzten Jahren hat sich die veterinärmedizinische Diagnostik erfreulich weiter entwickelt und wir möchten hier mal einen groben Überblick verschaffen, was den brachyzephalen Hund von einem nicht brachyzephalen unterscheidet und wie man nun glücklicherweise mit den Möglichkeiten der Gentests, analysieren, selektieren und verbessern könnte. Der Spaghat zwischen Tierschutz, Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben und Erhaltung der Rasse ist ohne eine Anpassung des Rassestandards und Rückzucht von Merkmalen und Körperformen nicht mehr möglich und auch nicht wirklich sinnvoll. Wir setzen uns stark für eine Verbesserung des Hundewohls ein, ohne den Bully als smarten Begleiter zu verlieren, sind offen für Crossbreed, aber entschieden gegen ein Rasseverbot, weil es durchaus Möglichkeiten gibt den Bully wieder gesünder zu züchten. Und ein wenig Fremdblut tut nicht weh, wurde immer wieder mal benutzt und ist als Argument, alles beim Alten zu belassen, weil es ja so toll funktioniert hat (eben nicht, siehe diverse Statistiken des FCI, wenn sie mal welche machen und veröffentlichen, Danke Finnland!), mittlerweile einfach nur noch ignorant, unfair und engstirnig der Kreatur gegenüber. Zum Vergleich, unsere Kaiserschnittrate liegt bei unter 15%, die Welpensterblichkeit um die 5%, die durchschnittliche Wurfstärke bei knapp 7 Welpen. Alles Werte, die mit einer "normalen" Rasse zu vergleichen und auch bei vielen anderen Dissidenzzüchtern, die auf Gesundheit achten, zu finden sind!



Die Genetik der Kopfform

Die Genetik der Kopfform ist derzeit durch zwei Marker zu bestimmen, BMP3 und SMOC2. Wir haben etliche Bullys auf BMP3 auswerten lassen, dieser Marker ist mittlerweile standardisiert in vielen Gentests. Der kurzköpfige Hund wie Bully, Boston und Mops trägt grundsätzlich AA. Die mittlere Schädellänge, wie beispielsweise der Staffordshire Bullterrier tragen AC, die langnasigen Hunde wie Schäfer und Collie CC. Wir haben aber auch reinrassige Bullys, sogar aus der FCI auf AC ausgewertet und dies lange als Indiz für gesündere Anlagen oder bessere Vererbungsmöglichkeiten angesehen. Letztendlich werten wir dies aber nun als Zufallsbefund, weil auch die AC Hunde Atemprobleme entwickeln können, und auch teils wesentlich kürzere und aufgewölbtere Schädelstrukturen haben, wie wir es in den CT's vergleichen konnten. BMP3-AA Hunde gibt es auch bei langnasigen Rassen wie Ridgebacks oder unserem für Crossbreed ausgewerteten Danskyrüden. Retrozüchter vermarkten einen AC-Bully als Beweis für eine gesündere Kopfform, es gibt aber auch viele Rassen, die alle drei Marker tragen können, also AA kurz, AC Mittel und CC lang. Und nu? Haben diese AA-Tiere Probleme oder sind degeneriert! Nein!

Das SMOC2 wird derzeit fast nie getestet, unsere paar getesteten Hunde als Franzose, Hybrid und Dansky zeigten aber hier die Erkenntnis, die sich dann mit der tatsächlichen Schädellänge deckte und somit der durchaus sinnvollere Test ist, wenn man z.B. bei Crossbreed gezielt auf mittlere oder längere Schädelgenetik selektieren oder diesen Marker als Qualitätsmerkmal für Deckanzeigen verwenden möchte.

Die im Phänotyp langnasigen Hunde (Dansky), die im BMP3 kurz (AA) waren, wurden über SMOC2 lang getestet.

Die im Phänotyp kurznasigen Hunde (Bullys), die im BMP3 mittel (AC) waren, wurden über SMOC2 kurz getestet.

Wir sind gespannt, ob wir jemals einen reinrassigen SMOC2-AC-Mittel-Bully finden werden, erwarten dies aber allerhöchstens nach einer Einkreuzung und Rückzucht nach Generationen, wo es aber dann auch sichtbar veränderte Schädelformen zu erwarten gibt.

Es ist verpönt und perfide die durch Zufall erworbenen BMP3-Ergebnisse als PR-Gag für eine gesundheitliche Aussage zu missbrauchen, so wie es manche Züchter tun. Noch schlimmer und dümmer ist es aber BMP3 AA Hunde aus langnasigen Rassen als minderwertig zu bezeichnen, hier sind der Phantasie einiger "Experten" keine Grenzen gesetzt. Daher unser Versuch anhand folgender Collage die Wahrheit über Geno- und Phänotyp zu erfassen, es ist eigentlich ganz leicht und logisch zu verstehen. Danskyschecke und Hybridtochter in Tan sind SMOC2 lang, alle anderen Brachys, Nachzuchten in 3 Generationen der Old Lady oben links sind SMOC2 kurz. Was sonst?


Der Test auf SMOC2 wird derzeit von Genetic.Dog angeboten, bei Interesse darf man gerne Stephanie Müller kontaktieren. Der Solo-BMP3 hat unseres Erachtens nach weniger Aussagekraft als die Kombination beider Tests.

Fachliteratur gibt es fast nur in englisch, mit dem Übersetzer Deepl.com kann man sich aber sehr gut durch medizinische Artikel lesen.


Brachyzephale Genetik SMOC2 BMP3 DVL2

Info SMOC2 Genetic

 
Helft uns, die smarten Charakterköpfe in einen Körper zum Wohlfühlen zu packen.

In der Mitte unsere Gassifreundin Oldschool Zuchtziel Pink, außen alles Nachzuchten aus dem GB e.V.

Kleine körperliche Veränderungen bewirken Großes!

 


Die Genetik der kurzen Ruten

 

Wir haben hier in der Kategorie Eingewachsene Ruten und DVL2 bereits seit Jahren auf die Besonderheiten der Kurzruten hingewiesen, fassen es hier aber noch einmal zusammen und möchten auch anhand von Fotografien zeigen, welche Phänotypen möglich sind.

Es gibt bei den Rassehunden zwei mögliche Rutendefekte. NBT ist der Natural Bobtail, den es in vielen Hüte- und Herderrassen gibt und der von seinem Phänotyp von fast nicht sichtbarer Rute über optisch halblange Rute bis langer Rute mit fehlenden Wirbeln ausgeprägt sein kann. Abgesehen von den extrem kurzen Bobtails haben die Hunde keinen großen Funktionsverlust und die halblangen Bobtails bestechen durch einen besonderen optischen Reiz, so dass nach dem Kupierverbot der Boxer sogar gezielt Corgis eingezüchtet wurden, um den kurzrutigen Boxertyp zu erhalten.

NBT wird dominant vererbt, d.h., dass Träger immer den Phänotyp Bobtail besitzen. Aus tierschutzrechtlichen Gründen ist die Verpaarung zweier Träger verboten, da Doppelträger-Föten im Mutterleib absterben und nie geboren werden können.

Alle getesteten brachyzephalen Bullys und Hybriden sind NBT negativ getestet, haben mit diesem Defekt also absolut nichts zu tun. Verpaart man Brachys mit einem NBT einer nicht brachyzephalen Rasse, erzielt man im Wurf 100% DVL2-Träger und 50% Bobtail-Träger, was für die Rückzucht auf gesündere Ruten absolut vertretbar ist, denn das gewollte Ziel kann in der zweiten Generation schon der vom DVL2-befreite Bullyhybrid ohne NBT sein.

In der Collage sehen wir verschiedene Formen unserer etwas länger gezüchteten Korkenzieherruten mit DVL2-Doppel-Defekt, die aber immerhin allesamt frei bewegliche kommunikative "Klodeckel" sind, also den Anus bedecken können. Dazwischen tummelt sich ein halblanger Bobtail des Scheckenrüden und eine ausgeprägte Rute einer Hybridin als DVL2-Einfach-Trägerin. 
Äußerlich lassen sich die genetischen Merkmale nicht klar identifizieren, so dass die Tests auf NBT und DVL2 für die Zuchtauswahl absolut notwendig sind, wenn man hier ein klares Ziel für die Verbesserung der Gesundheit anstreben will!

 

Die Brachys tragen grundsätzlich die doppelte Kopie des DVL2-Defekts, unabhängig davon, ob die Rute ultrakurz oder mittellang bis fast zum Sprunggelenk reichend ist. Berücksichtigend, dass nach 3 Generationen der Einkreuzung der Bully wieder 100% reine Französische Bulldogge auf dem Papier ist, kann man sagen, dass alle DVL2-Träger-Bullys Hybriden in zurückliegenden Generationen sein müssen. Faire Züchter kommunizieren dies offen, da der Hinweis darauf, welche Rasse nun für die Ausbildung gesünderer Ruten und Wirbelsäulen gebraucht wurde, dringend für die Einschätzung möglicher Veranlagung des Charakters und auch der Verwendung der Retros greifbar sein sollte. Charakterliche rassetypische Genetik kann noch nach Generationen nach vorne schwemmen und zu Überraschungen führen, da ist es schon ein Unterschied, ob man Havaneser oder Malinois, eine scharfe Terrier-Rasse oder einen smarten Pinscher benutzt hat. Es ist jämmerlich und unfair und einfach unfassbar unprofessionell, wenn sich Züchter feige hinter ihren gebastelten 100% Franzosen, die plötzlich ach so gesund ohne mehr die rasseeigenen Defektgene zu tragen vom Himmel gefallen sind, verstecken und die Menschen mit möglichen Problemhunden aus diesen Tierzuchtversuchen nicht wirklich aufklären. Charakterliche Genetik ist sehr tief verankert und halt nicht nach 3 Generationen ausgelöscht! Hier gibts immer wieder große Augen, wenn für die Rückzucht halt kein Gesellschaftshund, sondern ein Jäger, Hüter oder Stöbermann benutzt wurde. Und bitte auch niemals die verwurzelte Genetik unserer Bullys verleugnen und verniedlichen, die halt auch aus den Packern und Gladiatoren der Arenen des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Sie sind nicht immer nur süß, liebevoll, gesellig und unkomplizierte Schmusebacken für jedermann.
Aber das Theater kennen wir von den Farben schon, wo es eindeutige auffällige Linien gibt und alles auf die Franzosen-Genetik oder Haltungs- und oder Erziehungsfehler geschoben wird.
Ohne Einkreuzung hätte es aber auch niemals in der Masse Blau, Tan und Merle geben können.

 

Chondrodystrophie

Die Genetik der Chondrodystrophie CDDY betrifft nicht nur unsere Franzosen und ist auch schon seit längerem hier auf der HP beschrieben. Gentests entlarven die Träger, die wegen des dominanten Erbgangs auch mit nur einer Kopie erkranken können. Von daher ist die vorzeitige Verkalkung der Bandscheiben sicher als rassetypisch zu bewerten, aber nicht längst nur an die Brachys gebunden. Möchte man ernsthaft den Franzosen von den Genedefekten frei züchten, um die Gefahr der  Bandscheibenvorfälle (IVDD) durch die Veranlagung der vorzeitigen Verkalkung der Bandscheiben zu dämmen, gehört die Ausszucht des CDDY sicher zu den Hausaufgaben, die ein emsiger Züchter angehen sollte.

Unserer Erfahrung nach ist es dennoch auch gescheiter, betroffene Linien zu beobachten oder zu meiden, denn der Test alleine ist kein Garant für lebenslängliche Wirbelsäulengesundheit, die Neigung zu Bandscheibendegeneration nebst der gefürchteten schmerzhaften neurologischen Ausfälle für den Hund noch von allerhand anderer Faktoren abhängig. Dies beweisen auch etliche andere Rassen, die ohne chondrodystrophe Veranlagung ebenfalls zu Bandscheibenvorfällen neigen.
Der Test sollte als Risikobewertung verstanden werden, ein frei gezüchteter Bully ist noch kein Garant für lebenslängliche Schmerzfreiheit, wenn nicht auf die gesamte Körperfunktion, Balance und Ausgewogenheit des Hundes geachtet wird.

Selektion auf chondrofreie Tiere ist sicherlich ein guter Weg, räumt man aber sämtliche gut gebaute Chondroträger aus stabilen, langlebigen Linien durch kompromisslose Selektion aus dem Weg, vernichtet man damit wahrscheinlich sehr gute Varianz gesunder Tiere. Hier wäre manchmal ein bißchen weniger blinder Ehrgeiz wertvoll.